Interview mit Endometriose-Kämpferin Vivian

Periodenschmerzen, die bis hin zur Ohnmacht führen? Vivians Endometriose blieb trotz erheblicher Symptome jahrelang unerkannt. Im Interview spricht die Influencerin über ihren langen Weg bis zur Diagnose und gibt Tipps für Betroffene.

Endometriose — was ist das?

Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Schätzungsweise leidet jede zehnte Frau* unter der chronischen Erkrankung. Und dennoch bleibt Endometriose häufig lange unerkannt in Deutschland vergehen im Schnitt sieben Jahre vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Endometriose-Diagnose. Bei Betroffenen treten Zysten und Entzündungen auf, die sich an den Eierstöcken, dem Darm oder Bauchfell ansiedeln. Diese sogenannten Endometrioseherde verursachen starke Schmerzen, die meist zyklisch mit der Monatsblutung auftreten. 

*Endometriose betrifft aber nicht nur cis-Frauen, deren Geschlechtsidentität mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde. Die Krankheit tritt auch bei trans*- oder non-binären Personen auf sowie bei Menschen ohne Uterus.


Vivian, du informierst auf deinem Instagram Account über Endometriose und lässt deine Community am Alltag mit der Erkrankung teilhaben. Wie bist du dazu gekommen?

Im Februar 2020 habe ich nach meiner Bauchspiegelung die Endometriose-Diagnose erhalten. Ich habe das ganze Internet nach Erfahrungen bezüglich der Erkrankung abgesucht. Leider empfand ich es als sehr mühselig aus den verschiedensten Quellen und Internetseiten Informationen herauszusuchen. Ich wollte eine Plattform schaffen, in der alles Wissenswerte über Endometriose festgehalten ist und über die sich Betroffene austauschen können. Somit habe ich mich dazu entschiedenen, meinen Instagram Account zu eröffnen. Und es war die beste Entscheidung, die ich je hätte treffen können!

Wie genau hat sich bei dir Endometriose geäußert und wie lange begleitet dich die Krankheit schon?

Mit zwölf Jahren habe ich meine erste Periode bekommen und somit auch meine ersten Symptome und Schmerzen. Ich hatte damals bereits mit starken Periodenschmerzen zu kämpfen. Außerdem musste ich mich vor Schmerzen übergeben oder bin in Ohnmacht gefallen, weil die Schmerzen unerträglich waren. Und das hat sich jeden Monat während der Periode wiederholt. Später kamen dann noch Symptome wie beispielsweise Schmerzen beim Stuhlgang und / oder Schmerzen beim Wasserlassen hinzu. Die ganzen Endometriose Symptome begleiten mich nun seit rund 13 Jahren und sind auch mittlerweile zyklusunabhängig  also auch außerhalb meiner Periode. Es ist ein großes Auf und Ab, aber ich durfte durch die Erkrankung auch schon viel über mich selbst und meinen Körper lernen. 

Viele denken bei Endometriose an Regelbeschwerden. Reicht das, um eine Vorstellung von der Krankheit zu bekommen?

Nein. Endometriose ist soooo viel mehr als Regelbeschwerden. Natürlich äußern sich die Symptome bei jeder Person unterschiedlich. Die Erkrankung ist sehr individuell  genauso wie die Menschen, die darunter leiden. Es gibt Betroffene, die gar keine Symptome haben, aber es gibt natürlich auch das komplette Gegenteil. Endometriose wird deshalb auch das Chamäleon der Gynäkologie genannt. Die Erkrankung kann beispielsweise auch zum unerfüllten Kinderwunsch und / oder einem Organverlust führen. Außerdem kann eine chronische Erkrankung auf Dauer natürlich auch die Psyche belasten oder aufgrund von vielen Krankheitstagen zu einem Arbeitsverlust führen. Endometriose hat viele Gesichter.

In welcher Weise nimmt Endometriose Einfluss auf deinen Alltag?

Es gibt natürlich ein paar Einschränkungen, die die Endometriose mit sich bringt. Ich habe immer ein Notfalltäschchen mit Medikamenten bei mir. Es kann jederzeit sein, dass ich eine Schmerzattacke bekomme, die ich nur medikamentös in den Griff bekomme. Außerdem ist es mit einer chronischen Erkrankung für mich sehr schwer spontan zu sein. Ich musste schon viele Treffen mit Freund:innen oder wichtige Termine absagen, weil ich nicht aus dem Bett gekommen bin oder Schmerzen hatte. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man ein Umfeld hat, welches Verständnis entgegen bringt. Ich habe oft Blasenschmerzen und Nervenschmerzen in den Beinen sowie mit chronischer Erschöpfung zu kämpfen. Das sind die Symptome, die mich am meisten belasten. Aber dennoch versuche ich das Beste daraus zu machen.

Wie erlebst du das Verständnis für Endometriose in deinem Umfeld?

Ich habe großes Glück, dass ich großes Verständnis aus meinem engsten Umfeld erfahre. Vor allem mein Partner ist eine sehr große Unterstützung für mich. Ich habe meine Familie und Freund:innen offen und ehrlich über die Erkrankung aufgeklärt. Natürlich kann es niemand zu 100 Prozent nachvollziehen, da sie selbst nicht betroffen sind. Aber alle unterstützen mich trotz allem sehr und das schätze ich sehr. Gegenüber fremden Menschen ist das Verständnis oft nicht so groß. Dort höre ich oft Aussagen wie „Du bist doch noch so jung" oder „Du siehst ja gar nicht krank aus". Mittlerweile stehe ich da drüber, aber am Anfang waren solche Aussagen natürlich auch schwer für mich.

Wie verlief deine Krankheitsgeschichte bis zur endgültigen Diagnose?

Es hat bei mir über zwölf Jahre bis zur offiziellen Diagnose gedauert. Ich wurde leider über all die Jahre von rund 20 Frauenärzt:innen nicht ernst genommen. Es wurde mir immer eingeredet, dass Periodenschmerzen normal wären. Das gehört halt eben zum „Frausein" dazu. Oder es wurde gesagt, dass ich zu empfindlich bin oder ich mich eher psychologisch behandeln lassen sollte, anstatt zu einem Gynäkologen oder einer Gynäkologin zu gehen. Das Schlimmste in dieser Zeit war, dass ich nicht ernst genommen wurde. Weder von Mediziner:innen noch von Außenstehenden. In der ganzen Zeit habe ich viele Fehldiagnosen erhalten. Beispielsweise sei angeblich mein Blinddarm entzündet, ich hätte chronische Bauchschmerzen oder vielleicht doch einen Reizdarm. Es wurde alles Mögliche diagnostiziert, aber von Endometriose war leider nie die Rede. Erst als ich 2020 meinen jetzigen Frauenarzt aufgesucht habe, hat dieser direkt die Verdachtsdiagnose Endometriose geäußert. Ich habe sofort eine Einweisung für ein zertifiziertes Endometriosezentrum erhalten und kurz darauf stand auch schon meine Bauchspiegelung auf dem Plan. Aus geplanten 45 Minuten wurde eine Operation, die über drei Stunden gedauert hat. Es wurden ganz viele Endometrioseherde gefunden.

Wie war es für dich, als du die Endometriose Diagnose erhalten hast? 

Als ich die Diagnose erhalten habe, habe ich geweint. Nicht weil ich traurig über die Diagnose war, sondern vor Freude. Endlich wusste ich, was los war und das Wichtigste: Ich habe mir die Schmerzen nicht eingebildet. Sie waren real. Mir wollte nur leider niemand glauben. Ich bin nicht verrückt, wie es mir eingeredet wurde, sondern ich bin chronisch krank. Ich war unglaublich dankbar, dass ich endlich Gewissheit hatte. Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen und dadurch habe ich positiv in die Zukunft blicken können. Leider wurde ich im Krankenhaus nicht wirklich weiter über die Erkrankung aufgeklärt. Ich musste mir somit alles selber aneignen. Aber nun bin ich eine Expertin meiner eigenen Erkrankung das war mir selbst auch sehr wichtig.

Warum wird Endometriose als Krankheit so oft unterschätzt?

Ich vermute, weil uns schon früh eingeredet wird, dass Periodenschmerzen normal seien. Schmerzen gehören einfach zur Periode dazu da muss man nun mal einmal im Monat durch. Nein, muss man nicht! Starke Periodenschmerzen sind nie normal und das sollte auch endlich genauso in der heutigen Gesellschaft kommuniziert werden. Niemand sollte sich mit Schmerzen oder Schmerzmitteln zur Schule oder Arbeit quälen. Ich kann jedem nur raten bei solchen Beschwerden direkt Rücksprache mit einem Gynäkologen oder einer Gynäkologin zu halten oder direkt ein zertifiziertes Endometriosezentrum aufzusuchen. Niemand muss da alleine durch!

Ist Endometriose heilbar oder nimmst du spezielle Medikamente?

Endometriose ist zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht heilbar. Eine Hormontherapie wird gerne bei Endometriose eingesetzt, in der Hoffnung die Schmerzen dadurch zu minimieren. Ansonsten bleibt als einzige Therapieform nur eine Operation und somit die Entfernung der Endometrioseherde. Eine Operation bedeutet aber nicht automatisch, dass man danach geheilt oder schmerzfrei ist. Aber sie kann natürlich Linderung verschaffen. Aber auch das ist bei jedem sehr individuell. Ansonsten kann ich nur empfehlen, seinen eigenen persönlichen Weg zu finden und die verschiedensten Dinge auszuprobieren. Vielen Betroffenen hilft beispielsweise Akupunktur, Osteopathie, Schmerztherapie, Schmerzpsychologie, Rehabilitation, ein:e Heilpraktiker:in, Yoga, eine Ernährungsumstellung oder verschiedene Entspannungsübungen. Es gibt also viele Alternativen, um die verschiedensten Symptome der Endometriose zu lindern.

Warum hast du dich für eine Endometriose-OP entschieden und was hat sich seitdem verändert?

Meine Operation war nach all den Jahren medizinisch notwendig. Außerdem war es für mich selbst auch sehr wichtig. Ich wollte unbedingt wissen, was mit mir los ist und woher meine Symptome kommen. Seit meiner Diagnose hat sich sehr viel verändert. Ich habe mir eine kleine Endometriose-Community aufgebaut und bin über den regelmäßigen Austausch sehr dankbar. Außerdem habe ich gelernt, meinen Körper viel mehr zu schätzen und meine Grenzen frühzeitig zu erkennen. Ich bin nun stärker als jemals zuvor! Ich durfte seit der Diagnose bereits so viel über die Erkrankung und mich lernen. Auch tolle Menschen durfte ich dadurch kennenlernen.

Gibt es alltägliche Gewohnheiten, die dir helfen, besser mit der Krankheit umgehen zu können?

Mir hilft es bereits, feste Routinen zu haben und regelmäßige Pausen einzulegen. Ich habe mich beruflich umorientiert und kann nun komplett von zuhause arbeiten. Die Arbeit außerhalb hat mich gesundheitlich sehr eingeschränkt, deshalb musste ich dahingehend dringend etwas verändern. Es war für mich die beste Entscheidung. Nun kann ich auch mal mit Wärmflasche vor dem Computer sitzen und arbeiten, ohne mich rechtfertigen zu müssen. Ich habe mir über all die Jahre ein positives Mindset aufgebaut. Natürlich hat man auch schlechte Tage, das ist völlig legitim und gehört dazu. Aber ich versuche immer, dass das Positive bei mir überwiegt. So geht es mir auf langfristige Sicht viel besser. Wenn ich vieles negativ sehe und mich reinsteigere, habe ich auch automatisch mehr Schmerzen und das möchte ich natürlich vermeiden.

Welchen Rat hast du für Personen, die unsicher sind, ob sie Endometriose haben?

Sucht direkt das Gespräch mit eurem Frauenarzt oder eurer Frauenärztin. Sprecht direkt euren Verdacht an und lasst dies bitte ärztlich abklären. Gegebenenfalls kann ich euch auch raten, direkt ein zertifiziertes Endometriosezentrum aufsuchen. Dort sitzen Spezialist:innen, die dich und deine Schmerzen ernst nehmen. Mit einer Bauchspiegelung (eine Operation unter Vollnarkose) kann der Verdacht dann bestätigt werden. Ihr kennt euren Körper und eure Beschwerden am besten. Vertraut darauf! Lasst euch nie etwas anderes einreden. Ich glaube euch und ich sehe euch.

 

Der Umgang mit Endometriose kann sowohl körperlich als auch seelisch belastend sein. Neben der Unterstützung durch einen Arzt oder einer Ärztin kann es hilfreich sein, sich an eine Selbsthilfegruppe wie der Endometriose Vereinigung Deutschland e.V. zu wenden, um Informationen und Ratschläge zu erhalten.

Betroffene und Angehörige können kostenlos unter der Telefonnummer 0341 3065304 anrufen, um ein Beratungsgespräch zu vereinbaren. 

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Susanne